Bewohnerstimme aus dem Mutter/Vater-Kind-Haus Bonn
Ich heiße Evelyn, bin 30 Jahre alt und habe einen fast zwei Jahre alten Sohn. Seit zweieinhalb Jahren lebe ich abstinent, davor war ich 15 Jahre lang drogenabhängig.
In meiner Ursprungsfamilie gab es viele Probleme – unter anderem Drogen- und Alkoholmissbrauch. Daher wuchs ich nicht mit meiner Zwillingsschwester und unseren weiteren vier Geschwistern auf. Im Alter von sieben Jahren kam ich ins Heim, meine Geschwister in Pflegefamilien. Meine erste Station war ein großes Heim mit ca. 200 anderen Kindern. Im Alter von 14 Jahren zog ich in eine Außenwohngruppe. Da ich mich immer auffällig verhielt, wechselte ich in eine spezielle Wohngruppe für schwierige Jugendliche. Bis ich 16 Jahre alt war, blieb ich nie lange in den verschiedenen Einrichtungen. Dann lebte ich schließlich ein Jahr lang auf der Straße: Überall und nirgends.
Viel Zeit verbrachte ich in einer Bauwagensiedlung für Obdachlose. Drogen spielten dort eine große Rolle. Mit 17 Jahren wurde mir ein gesetzlicher Betreuer vom Jugendamt zugeordnet, damals bezog ich dann auch meine erste Wohnung. In der Zeit bin ich so gut wie gar nicht zur Schule gegangen, bekam aber viel Druck von außen. Also machte ich meinen Hauptschulabschluss, später auch noch die Mittlere Reife. Während der gesamten Zeit nahm ich verschiedene Drogen, mit knapp 21 Jahren kam dann auch noch Alkohol dazu. Es vergingen nur wenige Tage im Jahr, in denen ich keinen Alkohol konsumierte. Regelmäßig, alle paar Wochen, hatte ich unter Drogen- und Alkoholeinfluss starke Aggressionsausbrüche. Da ich immer arbeitete, verlief mein Konsum unauffällig. Innerhalb Deutschlands zog ich viele Male um. Mit 28 Jahren spitzte sich vieles zu: Mein jahrelanger Konsum (Alkohol, Amphetamine und andere Drogen) hatte mich körperlich und psychisch gezeichnet. Es ging mir schlecht. Ich konsumierte täglich: Bier, Schnaps und viele andere Drogen, die mich abends komamäßig zum Schlafen brauchten. Also zog ich eine Notbremse und ging ich in eine Entgiftung. Einige Zeit später folgte eine 2. Entgiftung.
Dann wurde ich schwanger und mir war klar, so kann mein Leben nicht weitergehen! Nach meiner ersten Entgiftung plante ich eine Langzeittherapie. Aber erst, als ich schwanger war, konnte ich das Angebot annehmen, weil mir klar war, dass ein Kind unter diesen Voraussetzungen keine Chance hat. Ich hatte überlegt, das Kind abzutreiben, aber es war zu spät. Erst am Ende meiner Drogentherapie konnte ich mein Kind richtig annehmen. Ich hätte damals nicht geglaubt, dass ich mit dem Konsum aufhören kann. Ich habe eine siebenmonatige Langzeittherapie gemacht und bin einen Monat vor der Geburt meines Kindes in eine Mutter-Kind Einrichtung gekommen. Am Anfang war ich total motiviert und glaubte ohne Hilfe abstinent bleiben zu können. Vier Monate nach der Geburt hatte ich dann einen Rückfall: Drei Wochen lang konsumierte ich Alkohol. Abends, wenn mein Kind schlief habe ich getrunken. Es ist dann in der Einrichtung aufgefallen, so dass ich diese verlassen musste. Betreuer und das Jugendamt gaben sich viel Mühe, um für mich und meinen Sohn eine neue, passende Einrichtung zu finden, die Erfahrungen mit Suchtkranken hat. Ich wechselte in das Mutter-Kind-Haus Alfter des Deutschen Ordens. Am Anfang fiel es mir sehr schwer, mich darauf einzulassen. Ich war sauer auf mich und meinen Rückfall. Ich hatte mein Kind aufs Spiel gesetzt. Die Einrichtung ist eine Suchteinrichtung, in der man fast ständig an sein Problem erinnert wird. Das ist eigentlich gut, jedoch brauchte ich Zeit und Vertrauen, um das zu begreifen. Sucht ist eine Krankheit und man muss auf der Hut sein, um nicht rückfällig zu werden.
In Alfter hatte ich Zeit und Unterstützung, um meinen Rückfall aufzuarbeiten. Es gab verschiedene Hilfsangebote, wie zum Beispiel Gruppen mit den anderen Bewohnern und Betreuern. Ich hatte Zeit zum Nachdenken und konnte andere Lösungen finden, als auf Alkohol oder Drogen zurück zu greifen. Ich hatte Zeit mich zu entwickeln, Erfahrungen zu sammeln, Rückfallprophylaxe und andere Skills zu erlernen, konnte mich mit anderen Suchtkranken austauschen und ihre Lebensgeschichten erfahren. Nach einem Jahr im MUTTER-KIND HAUS ALFTER, wollte ich einen weiteren Schritt in die Selbständigkeit machen und bin mit meinem Sohn nun in die „eigene Wohnung“ gezogen. Diese Wohnung ist angebunden an das MUTTER- KIND-HAUS BONN, das ebenfalls zum Deutschen Orden gehört. Ich gehe dort weiterhin in die Gruppen und führe Gespräche. Eine Betreuerin kommt mehrmals pro Woche zu mir in die Wohnung. Seit meinem Wechsel ins MUTTER-KIND HAUS ALFTER & BONN habe ich es geschafft abstinent zu leben und mir geht es sehr gut – seelisch und körperlich. Die Unterstützungen sind eine gute Hilfe, um weiterhin abstinent zu bleiben. Ich werde immer noch auf möglichen Konsum kontrolliert – mit Urin- und Alkoholkontrollen. Das ist auch gut so, ich brauch das ab und an noch.
Wenn ich Suchtdruck habe, kann ich ihn offen ansprechen, ohne dafür verurteilt zu werden oder komische Blicke zu bekommen. Mein Kind gibt mir sehr viel Kraft und hilft mir dabei, abstinent zu bleiben.
Ich konnte mich entwickeln, meine Mutterrolle finden und gut annehmen. Auch hier gibt es viel Unterstützung, Tipps und Tricks. Dank des MUTTER-KIND HAUSES ALFTER & BONN habe ich Zeit für mich und mein Kind, die man sonst so nicht hätte. Ich wohne jetzt seit fünf Monaten in der Wohnung und es klappt super! Ab und an kommt Suchtdruck, aber ich kann mittlerweile gut damit umgehen und konsumiere nicht.